Pressemitteilung
Ohne Zeitarbeit wird die Versorgung günstiger und die Arbeit in der Pflege attraktiver
bpa und Hamburgische Krankenhausgesellschaft fordern Finanzierung von Poollösungen in der Pflege, um Zeitarbeit zurückzudrängen
Zeitarbeit in Hamburger Pflegeeinrichtungen und Kliniken macht den Pflegeberuf unattraktiv und sorgt jedes Jahr für Mehrkosten von rund 15 Millionen Euro. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) und die Hamburgische Krankenhausgesellschaft e.V. (HKG) fordern den Bundesgesetzgeber, den Hamburger Senat sowie die Kranken- und Pflegekassen deshalb zu konkreten Schritten für eine Eindämmung der Zeitarbeit in der Pflege auf.
„Zeitarbeit drängt die Stammbelegschaft oftmals in die unattraktiven Rand-Arbeitszeiten, schwächt die Bezugspflege und lässt immense Beträge aus dem System der Kranken- und Pflegeversicherung abfließen, ohne dass tatsächlich zusätzliches Personal gewonnen wird“, sagt der bpa-Landesvorsitzende Frank Wagner. „Im Gegenteil: Die Zeitarbeitsunternehmen werben aktiv Pflegekräfte aus Pflegeeinrichtungen und Kliniken ab, um sie dann wieder zurückzuvermieten.“
So konkurrierten Zeitarbeitsfirmen mit Krankenhäusern sowie Pflegeeinrichtungen um Personal und könnten mit freiwählbaren Arbeitszeiten und deutlich höheren Vergütungen locken. Gleichzeitig müssten viele Einrichtungen aber notgedrungen auf Zeitarbeitskräfte zurückgreifen, um Belastungsspitzen abzufangen, weil sinnvollere Alternativen fehlen.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und gleichzeitig dem Wunsch der Mitarbeitenden nach mehr Flexibilität Rechnung tragen zu können, benötigen die Krankenhäuser finanzielle Spielräume, um beispielsweise die Mehrkosten hauseigener Pflegepersonalpools zu finanzieren, mit denen Lücken in den Stationsteams kurzfristig ausgeglichen werden können. Auch in den Einrichtungen und Diensten der Langzeitpflege muss zusätzliches Personal für einen Pflegepool refinanziert werden, um den deutlich teureren Einsatz von Zeitarbeit zu begrenzen.
Entsprechende Vorschläge seien bereits in der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) auf Bundesebene gemacht worden und müssten jetzt auch in Hamburg aufgegriffen werden, betonen bpa und HKG.
„Durch den Einsatz der Zeitarbeitskräfte entstehen alleine in den Krankenhäusern der Hansestadt nicht refinanzierbare Mehrkosten von rund 9 Millionen Euro pro Jahr“, rechnet der 1. Vorsitzende der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft Joachim Gemmel vor. Mehr als 6 Millionen pro Jahr kommen nach Berechnungen des bpa in den Einrichtungen der Langzeitpflege hinzu. „Diese Summe wird dem Gesundheitssystem Jahr für Jahr vollständig entzogen. Wenn wir stattdessen eigene Springerdienste und Personalpools einsetzen und die Mehrkosten an die Krankenkassen weitergeben können, wird die Versorgung im Ergebnis langfristig günstiger und die Arbeit in der Pflege für alle Beschäftigten attraktiver“, so Gemmel.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) bildet mit mehr als 13.000 aktiven Mitgliedseinrichtungen (davon über 300 in Thüringen) die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland. Einrichtungen der ambulanten und (teil-)stationären Pflege, der Behindertenhilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe in privater Trägerschaft sind systemrelevanter Teil der Daseinsvorsorge. Als gutes Beispiel für Public-private-Partnership tragen die Mitglieder des bpa die Verantwortung für rund 395.000 Arbeitsplätze und circa 29.000 Ausbildungsplätze (siehe www.youngpropflege.de oder auch www.facebook.com/Youngpropflege). Die Investitionen in die soziale Infrastruktur liegen bei etwa 31 Milliarden Euro.
Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Hamburg. Sie vertritt die Interessen von 35 öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern in Hamburg und Umgebung. Jährlich versorgen Hamburgs Kliniken allein stationär mehr als 500.000 Patientinnen und Patienten, davon ein Drittel aus den angrenzenden Bundesländern. Mit mehr als 32.500 Beschäftigten sind die Hamburger Krankenhäuser - zusammengenommen – einer der größten Arbeitgeber der Stadt.
Zeitarbeit überflüssig machen
Der Fachkräftemangel stellt den zentralen Engpass für die Sicherstellung der Versorgung dar. Besonders im Pflegedienst der Krankenhäuser sowie den Einrichtungen und Diensten der Langzeitpflege steigt der Druck, auf Zeitarbeit zurückzugreifen. Dies führt zu zahlreichen Fol- geproblemen, denn Zeitarbeitsfirmen konkurrieren mit Krankenhäusern sowie Pflegeeinrichtungen und -diensten um Personal. Frei wählbare Ar- beitszeiten und deutlich höhere Vergütungen führen zur Abwanderung von Pflegekräften in die Zeitarbeit. Der Fachkräftemangel verstärkt sich; zudem steigen die Preise der Zeitarbeit proportional zur Nachfrage. Diese Mehrkosten von rund 9 Millionen Euro pro Jahr allein in Hamburg sind für die Krankenhäuser nicht refinanziert und werden dem System jedes Jahr aufs Neue entzogen. Ähnliches gilt für die Langzeitpflege.
Die Mitarbeitenden der Krankenhäuser, dort insbesondere des Pflegedienstes, sowie der Pflegeeinrichtungen und -dienste der Langzeitpflege arbeiten seit Jahren unter hohem Druck aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels. Offene Stellen können nicht zeitnah besetzt werden. Die knappe Personaldecke führt zu hohen Belastungen, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und fehlender Dienstplansicherheit. Auch die Flexibiltät des Personaleinsatzes vermindert sich beim Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeiter daduch, dass diese häufig nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung stehen und somit insbesondere in unattraktiven Arbeitszeiten Besetzungsprobleme entstehen.
Steigen die Belastung und Unzufriedenheit der Mitarbeitenden der Stammbelegschaft, suchen diese nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten und verlassen ihren bisherigen Arbeitgeber.
Da der Arbeitsmarkt nicht ausreichend neue Pflegekräfte zur Festanstellung bietet, müssen die Arbeitgeber aus der Not heraus auf Zeitarbeit zurückgreifen. Diese wird längst nicht mehr nur zur Abfederung von Belastungsspitzen genutzt, sondern Zeitarbeitskräfte sind teilweise bis zur gesetzlichen Grenze von 18 Monaten fest an Krankenhäuser entliehen und nach kurzen Pausen erneut bis zur gesetzlichen Grenze in derselben Einrichtung im selben Krankenhaus eingesetzt.
Bei akuten Belastungsspitzen stehen auf dem Markt aufgrund der langfristigen Arbeit- nehmerüberlassungen häufig keine Zeitarbeitskräfte kurzfristig zur Verfügung.
Ein paradoxer Zustand, da die Zeitarbeit in der Pflege somit ihren originären Zweck nicht mehr vollumfänglich erfüllen kann.
Da die Zeitarbeitskräfte sehr häufig ihre zeitliche Verfügbarkeit genau vorgeben, muss das Stammpersonal bei der Dienstplangestaltung zurückstehen und die unattraktiveren Dienste übernehmen. Außerdem kommt es durch die Zeitarbeitskräfte zu erhöhtem Einweisungs- und Supervisionsaufwand beim Stammpersonal.
Teilweise können die Zeitarbeitskräfte auch nicht in den einrichtungseigenen IT-Systemen
dokumentieren , so dass sich auch die Dokumentation einseitig zu Lasten des Stammpersonals verschiebt.
Höhere Stundenlöhne und Sonderleistungen in der Zeitarbeit lassen einen Ver- gleich des Jahresbruttolohns ebenso in den Hintergrund treten wie die fehlende Einbindung in ein Unternehmen mit sozialer Absicherung in unterschiedlichen Lebensphasen, das langfristige Betriebszugehörigkeit honoriert. Eine Zweiklassengesellschaft in den Einrichtungen und Diensten ermutigt weitere Mitarbeitende, ebenfalls in die Zeitarbeit zu wechseln, wodurch sich das Problem erneut verschärft.
Für die Krankenhäuser ist die Zeitarbeit nur bis zur Höhe der Tarifkosten in den Pflegebudgets ansetzbar und verhandelbar. Auf Mehrkosten der Zeitarbeit bleiben die Krankenhäuser sitzen und müssen sie an anderer Stelle einsparen. Eine aktuelle Erhebung der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft ergab, dass die Krankenhäuser pro Jahr rund 9 Millionen Euro durch Mehrkosten der Zeitarbeit verlieren. Um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, aber auch dem Wunsch der Mit- arbeitenden nach mehr Flexibilität Rechnung zu tragen, benötigen die Kranken- häuser einen finanziellen Spielraum, um eigene Lösungen wie z.B. einen hausei- genen Pflegepersonalpool entwickeln zu können. Durch solche Springerpools können Lücken in den Stationsteams kurzfristig ausgeglichen werden.
Bei den Einrichtungen und Diensten der Langzeitpflege gibt es ebenfalls keine Refinanzierung von zusätzlichem Personal für einen Pflegepool. Ohnehin werden die sehr hohen Aufwendungen für Zeitarbeit nicht regelhaft und unstreitig bei den Pflegesatzverhandlungen von den Kostenträgern refinanziert. Die Vorschläge aus dem Bericht der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) sollten auch in Hamburg aufgegriffen werden und die Gespräche zur Finanzierung von Springerpools und Erstellung von Muster-Ausfallkonzepten sollten unverzüglich ausfgenommen werden.
Die Mitarbeitenden in Pflegepools haben eine stärkere Mitsprachemöglichkeit bei ihren Dienstzeiten, stehen aber auch für kurzfristiges Einspringen in unterschiedlichen Teams zur Verfügung. Diese Flexibilität erfordert zusätzliche Anreize, bspw. finanzielle Zuschläge oder Zulagen. Das Vorhalten eines solchen Pflegepools erfordert zusätzliches Personal, das nicht in den regulären Schichtdienst eingeplant wird, sondern tatsächlich für kurzfristige Ausfälle zusätzlich zur Verfügung steht. Das Management eines Pools verursacht ebenfalls zusätzlichen Aufwand.
Daher können solche sinnvollen Strukturen nur durch zusätzliche finanzielle Mittel umgesetzt werden, die die Refinanzierung ermöglichen. Würden die Einrichtungen bei der Entwicklung eigener Lösungen wie eines Personalpools entsprechend unterstützt, werden mittelfristig Mitarbeitende aus der Zeitarbeit zurückgewonnen.
Der Abfluss von finanziellen Mitteln aus den Einnahmen der Solidargemeinschaft in die Zeitarbeit könnte vermindert werden.
Für die Krankenhäuser wäre es daher notwendig, in den Pflegebudgets tarif- lohnüberschreitende Kosten, wie Zuschläge, Zulagen und Managementkosten für individuelle Krankenhauslösungen wie eines Personalpools, zusätzlich geltend machen zu können.
Um einen entsprechenden Anreiz für krankenhauseigene Lösungen zu setzen, sollten die Aufschläge in Höhe der nachgewiesenen Kosten verhandelbar sein. Wird übergangsweise noch Zeitarbeit in Anspruch genommen, sollten die Krankenhäuser einen gedeckelten Aufschlag (bspw. 2,0-fach der Tarifkosten) in den Pflegebudgets ansetzen können, um auf den Mehrkosten nicht komplett sitzen zu bleiben und die Versorgung aufrecht erhalten zu können.
Für die Pflegeeinrichtungen und -dienste wären Aufschläge auf die Preise für die o.g. Poollösungen erforderlich. Hierzu sollten unverzüglich Gespräche zur Refinanzierung begonnen werden.
Zudem sollte die Vorgabe der Klarstellung der KAP für rahmenvertragliche Einfügungen in Bezug auf die Leiharbeit unverzüglich umgesetzt warden. Der bpa hatte den Vorschlag auf Einfügung des Textbausteins “Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen brauchen Ver- lässlichkeit und personelle Kontinuität; der Einsatz von einrich- tungsfremden Personal wie Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeit- nehmer soll daher in pflege- und betreuungsrelevanten Bereichen unterbleiben” mehrfach unterbreitet.
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen und -dienste betrachten Finan- zierungsanreize für eigene Pflegepools mit den entsprechenden Mehrkosten als sehr gut investiertes Geld, um dem Fachkräftemangel langfristig zu begegnen, Pflegekräfte in die Festanstellung zurückzuholen und Zeitarbeit auf den originären Zweck des Ausgleichs von Belastungs- spitzen zurückzuführen.